Treibende Kräfte, vom Leben und Arbeiten auf dem hohen Wald

Prof. Dr. Friedemann Maurer
Prof. Dr. Friedemann Maurer

Vortrag von Prof. Dr. Friedmann Maurer

 

Die Wirtschaft, so glauben wir oft, folgt eigenen und objektiven Gesetzmäßigkeiten – Angebot und Nachfrage, Dynamik von Geldströmen, Zwang zu Innovation und Rationalisierung. Im Grunde aber wird sie von und für Menschen betrieben und folgt daher menschlichen Antrieben; Wirtschaftsgeschichte ist wesentlich Humanwissenschaft. Diese Sicht leitete Prof. Friedemann Maurer bei seinem Vortrag vor dem Geschichts- und Heimatverein Villingen über die regionale Kultur- und Wirtschaftsgeschichte. Als Pädagoge und Philosoph hatte er sich zum Ziel gesetzt, die treibenden Kräfte bei der wirtschaftlichen Entwicklung des Schwarzwaldes anthropologisch zu erklären: die Traditionen dieser Landschaft seien die Widerspiegelung einer Lerngeschichte, die Welt, die dabei entstand, eine Leistung der Menschen.

Im Schwarzwald war diese Lerngeschichte stets von hoher Dramatik. Die ursprüngliche Herausforderung bestand darin, einer unzugänglichen und abweisenden Landschaft den Raum für menschliches Leben und Kultur abzuringen. Dabei spielten die Klöster, vor allem die Benediktiner, später auch die Zisterzienser, eine entscheidende Rolle. Sie waren Meister der Arbeitsteilung und damit der Effizienz, und indem sie Arbeit zum Gottesdienst überhöhten, schufen sie ein Arbeitsethos, das das Versprechen von Leistung und Qualität in sich trug. Die protestantische Lehre von Erfolg und Gnadenstand konnte hier anknüpfen. Aus dieser Sicht ist es kein Zufall, dass im 19. Jahrhundert die evangelischen Gebiete in Schwaben und in der Markgrafschaft die Vorreiter der Industrialisierung wurden.

Im Übergang vom Hausgewerbe zur Industrie entfalteten die Schwarzwälder außerordentliche Energien. Letztlich war es die Not, die zu intelligenten Lösungen zwang. Als die „Japaner des 18. Jahrhunderts“ verbesserten sie bereits vorhandene Erfindungen. Uhrenträgerkompagnien organisierten den Markt bis nach Russland und ins Osmanische Reich. Schließlich galten Schwarzwälder Uhren auch in Lateinamerika und Asien als Statussymbole und prägten den Charakter des modernen Lebens. Maurer orientiert sich an Jürgen Osterhammel, wenn er „Chronometrisierung“ als Hauptmerkmal der westlichen Expansion auffasst und die Uhr, mehr noch als die Dampfmaschine, als Schlüsseltechnologie der Moderne ansieht.

Die Firma „Johann Morath und Söhne“, heute „IMS Gear“, in Eisenbach, führte Maurer als Beispiel für Beharrungskraft und Leistungsfähigkeit des Schwarzwälder Gewerbes auch unter widrigen Umständen an. Die Krise des Uhrenhandwerks im 19. Jahrhundert sei auf mangelnde Befähigung zurückzuführen. Die Einrichtung der Uhrmacherschule in Furtwangen stehe beispielhaft für die gefundene Abhilfe, nämlich eine Ausbildung nach modernen Geschichtspunkten, in der das duale Systems bereits angelegt war. Von solchen Impulsen werde die Schwarzwälder Industrie bis ins 20. Jahrhundert und bis heute nachhaltig getragen.

Wirtschaft, so Friedemann Maurer abschließend, besteht nicht nur im Zusammenwirken von Kapital und Arbeit, sondern ist wesentlich angewiesen auf Bildung – und auf menschliche Eigenschaften wie Ausdauer in der Entbehrung, Anpassungsfähigkeit und Weltoffenheit. Im Schwarzwald ist dieser Zusammenhang anschaulich zu beobachten, als Beispiel einer Lern- und Sinngeschichte der menschlichen Gemeinschaft.

Der Vorsitzende Werner Echle bedankte sich bei Herrn Prof. Dr. Maurer für den eindrucksvollen Vortrag und beim Beiratsmitglied Eberhard Härle für die Idee, die Vermittlung und Organisation dieses sehr wertvollen Veranstaltung.

 

                           Michael Tocha

 

Südkurier 08.04.2016

 

Schwarzwälder Bote 09.04.2016