Ansprache Besinnlicher Abend 2014                von Günter Rath

Liebe Mitglieder des Geschichts- und Heimatvereins, meine Damen und Herren,

 

"Bleib einmal steh’n und haste nicht  und schau das kleine Licht.

Hab einmal Zeit für dich allein zum reinen unbekümmert sein.

Lass deine Sinne einmal ruh’n und hab den Mut zum gar nichts tun.

Lass diese wilde Welt sich dreh’n und hab das Herz sie nicht zu seh’n.

Sei wieder Mensch und wieder Kind und spür wie Kinder glücklich sind.

Dann bist von aller Hast getrennt, du auf dem Weg hin zum Advent“.

 


Am traditionellen Besinnlichen Abend des Geschichts- und Heimatvereins ist es mir eine Freude, zu Ihnen sprechen zu dürfen.


Diese Veranstaltung in der Adventszeit bietet uns die Gelegenheit, innezuhalten, über das zu Ende gehende Jahr Bilanz zu ziehen, über unser Land, seine Gesellschaft, besonders auch über unser persönliches Leben und –. wie ich meine – voller Hoffnung auf das neue

Jahr zu schauen. Die Bilanz des Vereinsjahres soll der Jahreshauptversammlung vorbehalten bleiben. Zusammengefasst dürfen wir mit Recht sagen: auch in diesem Jahr hat der Geschichts- und Heimatverein seinen Mitgliedern ein interessantes und ereignisreiches Jahresprogramm angeboten, Sie haben auch in diesem Jahr wieder ein umfangreiches, lesenswertes Jahresheft erhalten, und der Verein hat seine in der Satzung vorgegebenen Aufgaben in umfangreichem Maße erfüllt. Ich danke allen, die dazu beigetragen haben. Mein persönlicher Dank gilt allen, die mich 25 Jahre im Amt des Ersten Vorsitzenden unterstützt haben und Ihnen allen für Ihr Vertrauen in dieser langen und interessanten Zeit. Der Christ denkt an Weihnachten daran, dass etwas Neues, etwas Unerhörtes geschieht. Gott wendet sich in Christus den Menschen zu. Für uns alle ist bzw. sollte Weihnachten das Fest der Zuwendung zu unserer Welt sein. Die Botschaft der Weihnachtsgeschichte ist auch heute noch gültig, und sie geht jeden von uns an, weil sie Licht in die Welt bringt. Und das sollten auch wir tun. Hoffnung ist uns geschenkt. Was für eine Botschaft ist uns in der Heiligen Nacht geschenkt. Deshalb ist es gut, dass auch wir uns an Weihnachten beschenken, um anderen eine Freude zu bereiten. Dies ist beinahe selbstverständlich, es ist Teil unserer Kultur und ein wertvolles Zeichen der Verbundenheit. Bis zum heutigen Tag freuen wir uns über Weihnachtsgrüße und Weihnachtsgeschenke, die zum Ausdruck bringen, dass wir aneinander denken. Es ist wie das Lächeln, das wir weiter geben. Wenn wir die Geschenke, die wir Anderen zu Weihnachten geben, recht verstehen und sie nicht selbst zum Eigentlichen machen, führen sie

uns zum Kern dessen, was wir an Weihnachten feiern: die Freude über die Geburt von Jesus Christus.

 

Diese Freude ist die Erfüllung einer tiefen Sehnsucht, die in uns Menschen steckt. Es ist die Sehnsucht danach, dass unser Leben einen Sinn hat, dass die vielen Freuden des Alltags nicht eine oberflächliche Aneinanderreihung von Bedeutungslosem sind, sondern dauerhaft Bestand haben. Es ist die Sehnsucht, auch dann getragen und gehalten zu sein, wenn wir und alle um uns herum nicht froh

gestimmt sind. In diesen Tagen bewegen uns nicht nur Fragen des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Lebens, jeder von uns hat sein eigenes persönliches Jahr erlebt und schaut darauf zurück. Wenn wir von Krankheit und Tod heimgesucht werden, wenn Leid und Not in unseren Familien um sich greifen und sich Sprachlosigkeit über Konflikte und Streit legt. Wie immer

wir auf dieses Jahr zurückschauen, wie immer wir an diesen Tagen gestimmt sind: Uns allen gilt die alte und jedes Jahr neue Botschaft des Weihnachtsfestes. Sie kündet von der Nähe Gottes zu jedem Menschen, und sie kündet vom Frieden auf Erden.

Auch wer kein Christ ist, wird sich der großen Zuversicht, die in den Bildern und Liedern von Weihnachten ausgedrückt wird, nicht verschließen, wenn er Weihnachten feiert. Jeder kann sich von der Freude anstecken lassen, die von dem Licht ausgeht, das in der Finsternis leuchtet.

 

Wir leben nicht nur als Einzelne. Die erste Gemeinschaft, in die wir gehören, ist die Familie. Sie ist Ausgangspunkt und Rückzugsort, sie ist Kompass und Kraftquelle. Hier finden wir Geborgenheit und Anerkennung, hier sind wir im wahrsten Sinn des Wortes zu Hause. Ein gelingendes Familienleben ist für die große Mehrheit von uns nach wie vor eines der wichtigsten Dinge im Leben. Aber wir sollten unseren Kindern nicht votgaukeln, die Welt sei heil. Aber wir sollten in ihnen die Zuversicht wecken, dass die Welt nicht unheilbar ist.

Was Kinder in der Familie erfahren, das prägt sie ein Leben lang. Geborgenheit, Respekt, Verlässlichkeit, Anstand, Rücksichtnahme, Teilen, all das lernt man zuerst in der Familie. Und wie viel mehr Lebenschancen haben Kinder, für die sich ihre Eltern Zeit nehmen, denen sie vorlesen, mit denen sie reden, denen sie zuhören, mit denen sie singen und spielen. Zeit füreinander haben gehört

zum Kostbarsten, was wir uns schenken können. Du musst die Menschen lieben, die du ändern willst, hat Pestalozzi einmal gesagt. Kinder und Jugendliche müssen das Gefühl haben, das sie geliebt und gebraucht werden, dann fassen sie auch Vertrauen. Wir Erwachsene müssen Vorbild und Gesprächspartner sein. Herzens- und Charakterbildung, Liebe und Wertschätzung werden aber vor allem und zuerst durch elterliche Zuwendung erlebt. Familien, und auch die vielen alleinerziehenden Mütter und Väter leisten einen großen Beitrag zur Zukunft unserer Gesellschaft, der durch nichts zu ersetzen ist. Das ist vielen zu wenig bewusst.

 

Es muss uns beunruhigen, wenn im Europaparlament 2013 debattiert wurde, ob eine Empfehlung für alle Länder der EU ausgesprochen werden soll, in der die Abtreibung eines Kindes als Menschenrecht eingefordert werden könne. Ein solcher Antrag hat die Umkehrung aller Werte zum Ziel. Weihnachten sagt uns auch, dass wir als Christen nicht zusehen können, wenn das Recht auf Leben in sein Gegenteil verkehrt wird. Papst Franziskus ist zuzustimmen, wenn er sagt, dass „es nicht fortschrittlich ist, sich einzubilden, die Probleme zu lösen, indem man ein menschliches Leben vernichtet.“

Mit Recht wird davor gewarnt, das christliche Weltbild der Familie aufzugeben. Mann und Frau sind nicht austauschbar. Gerade in einer pluralen Gesellschaft sind Leitbilder erforderlich. Allerdings darf ein profiliertes christliches Bild von Ehe und Familie nicht zur Ausgrenzung von Menschen führen.

 

Am Schluss eines kleinen Gedichts aus Südtirol habe ich gelesen:

 

Ein wenig sollt’s wie früher sein

So richtig schön für Groß und Klein

und stets sollen wir daran denken

Weihnachten bedeutet Liebe schenken.

 

In der Weihnachtszeit ist viel vom Frieden die Rede. Weihnachten ist das Fest der Liebe und des Friedens. Wir sehen Bilder von stimmungsvollen schneebedeckten Waldlandschaften, in denen friedliche Ruhe herrscht. Wir erleben, wie selbstverständlich in unserem Land und in Europa seit Jahrzehnten Frieden herrscht, wir keinen Hunger leiden, wir in sozialer Sicherheit leben. Die ganz Nüchternen unter uns mögen Frieden für etwas Selbstverständliches halten. Noch nie in der deutschen Geschichte gab es eine so lange Zeit ohne kriegerische Auseinandersetzungen auf deutschem Boden. Wir durften im Westen Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg erleben, dass die Aufnahme Deutschlands in die europäische Familie möglich wurde, weil die Gegner von einst uns in Freundschaft wieder in die Völkerfamilie integriert haben du in Wort und Tat zur Versöhnung bereit waren. Und doch ist diese Sicht der Dinge eng und daher häufig falsch. Denn auch in den letzten Jahrzehnten hat es in der Welt zahlreiche blutige Kriege gegeben.

Leider ist unser friedvolles, behütetes Weihnachten nicht allen Menschen vergönnt. Gerade deshalb müssen wir sehen, dass es viele Krisenherde und viel Armut auf unserer Welt gibt: in Syrien, im Sudan, in der Ukraine, im Libanon, im Irak, immer wieder auch in Afghanistan. Israel und Palästina wechseln sich mit der Anwendung von Gewalt mit trauriger Regelmäßigkeit ab. Die Reihe ließe

sich fortsetzen. All diese Auseinandersetzungen und Kriege zeigen uns doch nur eines: Mit Waffen und militärischer Überlegenheit allein sind die Probleme der Welt nicht zu lösen. Friede kommt nicht mit Gewalt.

Können wir so einfach wegschauen, wenn entsprechende Bilder über Fernsehen oder andere Medien zu uns gelangen? Ich denke nein. Aber umgekehrt kann auch niemand von uns erwarten, dass wir uns um die ganze Welt kümmern und dabei unsere eigenen

Probleme und Bedürfnisse hintanstellen. Wir sind herausgefordert, zu helfen, Flüchtlingen Heimat zu geben.

Unsere Türen sollen offenstehen, wenn angeklopft wird. Auch die Heilige Familie war obdachlos, denn sie hatten keinen Raum in der Herberge. Unsere Obdachlosen sind keine Heiligen, aber es sind Menschen,, und es werden zur Zeit immer mehr, mit einem wachsenden Anteil an Frauen und Jugendlichen. Sind das alles Penner, Faulenzer, die selbst daran schuld sind?

Gewiss ist jeder in bestimmtem Umfang für sein Leben selbst verantwortlich. Aber viele von ihnen haben ohne eigene Schuld kein Zuhause. Wir dürfen keinen Bogen um sie machen. Jeder sollte immer wieder eine Chance bekommen.

 

Es bleibt dabei: Das alles überragende Wort der weihnachtlichen Botschaft heißt Friede. Wir denken an den Weihnachtsbaum und an die Kerzen, die friedliches Licht verbreiten. Besonders gut hat Joseph von Eichendorff, der große Dichter der Romantik, unser Bild von Weihnachten zum Ausdruck gebracht:

 

Markt und Strassen steh’n verlassen,

still erleuchtet jedes Haus,

sinnend geh ich durch die Gassen,

alles sieht so festlich aus.

 

Obwohl wir wissen, dass die Wirklichkeit oft anders ist, obwohl wir gerade vor und an Weihnachten Stress und Hektik erleben, bis in die Familien hinein manchmal auch Streit, obwohl wir wissen, dass es nicht immer zu Weihnachten Schnee gegeben

hat, dieses stille, festliche und vor allem friedliche Bild gehört für uns zu Weihnachten. Die Sehnsucht nach Frieden ist tief im Herzen der Menschen verwurzelt. Die vielen Zeichen der Friedlosigkeit in der Welt verstärken sie nur. Die Weihnachtsbotschaft stützt sich nicht auf Angst, sondern auf Vertrauen, auf Hoffnung und Liebe. In der Liebe ist mehr Kraft als in irgendeiner anderen Macht. Jeder Mensch kann sie erfahren, sie einem anderen zugänglich machen. Sie ist der Frieden. "Friede auf Erden – das ist das Ziel der Weihnacht",

schrieb Papst Benedikt in einer Weihnachtsbotschaft vor einigen Jahren. Wir dürfen die Hände nicht in den Schoß legen und auf den Frieden warten. Der Blick in die weihnachtliche Krippe ermutigt uns vielmehr, zu Tätern dieses göttlichen Friedens zu werden. Weihnachten will gelebt werden. Weihnachten fordert uns auf, die Ärmel hochzukrempeln und uns für diesen Frieden einzusetzen: im

Familien- und Freundeskreis, in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz. Weihnachten fordert uns auf, uns einzusetzen für einen sozialen und gerechten Frieden, für ein friedliches Miteinander der Kulturen, Religionen und Ethnien. Der Begriff des Friedens reicht viel weiter als seine rein politische Seite. Denn er beginnt eben nicht in der Welt da draußen, sondern tief im Innern des Einzelnen.

 

Hüten wir uns auch davor, das gesamte gesellschaftliche Leben in allen Bereichen künftig an den Mustern Wirtschaftlichkeit und Effizienz auszurichten. Bilanz, Kapital und Ressource sind Begriffe, die in der Wirtschaft unverzichtbar sind, sie gehören aber nicht in jeden Lebensbereich. Wenn alle Lebensbereiche ausschließlich nach wirtschaftlichen Gesetzen geformt werden, dann gerät die

Gesellschaft in eine Sackgasse. Schulen und Hochschulen sind keine Unternehmen, Bildung ist mehr als eine reine Funktionsertüchtigung. Ein Krankenhaus ist keine Gesundheitsmaschine; Helfen und Pflegen sind Aufgaben, die sich nicht

allein mit Pflegenormen definieren lassen.

Auch die Familie ist kein Betrieb. Zugleich lebt eine Gesellschaft aber auch von Flexibilität, Wagnis, Neugier und Aufbruch.

Lassen Sie uns auch das viele Gute nicht vergessen, das im Stillen geschieht, ohne große Öffentlichkeit. Viele machen sich stark für den Schutz des Lebens, für die Sorge um Pflegebedürftige, Kranke und Schwache. Der Umgang mit Kindern, alten und Hilfsbedürftigen ist der Lackmustest einer sozialen Gesellschaft.

Unser Dank hat deswegen all jenen zu gelten, die sich unermüdlich karitativ und sozial engagieren, Menschen, die Worte der Ermutigung und des Zuspruchs finden. Ihr Dienst ist nicht immer einfach und doch von so großer Bedeutung.

 

In diesem Zusammenhang gilt mein Dank allen, die auch in unserem Verein Verantwortung übernehmen, sich einzubringen bereit waren und sind und den Verein so mitgestalten. Aufmerksamkeit für die Sorgen und Nöte des Anderen und Achtsamkeit im Umgang mit den eigenen Worten ist gerade in einer Zeit der immer schneller werdenden Kommunikation geboten. Allein 144 Milliarden Emails werden pro Tag verschickt, wobei 61 Prozent von den Nutzern selbst als unnötig eingestuft werden. Achten wir auf die Sprache, damit nicht unter dem Deckmantel der Anonymität Menschen verleumdet und bloßgestellt werden. Viele Auseinandersetzungen nehmen ihren Anfang mit verbaler Entgleisung und hasserfüllten Reden, wenn Worte wie Giftpfeile wirken und nicht mehr von Respekt und gegenseitigem Respekt geprägt sind, sondern von Besserwisserei und Selbstgerechtigkeit.

 

Eine Gesellschaft ist nur dann in Ordnung, wenn nicht die einen auf Kosten der anderen leben. Man muss dies vor allem im Hinblick auf die kommenden Generationen so formulieren. Steht nicht das gegenwärtige Versprechen von Zuwendung im Vordergrund, das Versprechen füreinander Sorge zu tragen. Und die Älteren müssen sich aber auch fragen, was sie den Jüngeren mitgeben. Mit noch

so viel Geld können wir Vorbilder nicht ersetzen. Das Kind im Stall von Bethlehem erinnert uns daran, dass wir nicht aus uns selber

leben. Wir leben vom Geschenk, das wir uns selber nicht geben können. Es ist besser, in der Hoffnung zu leben als in der Furcht oder in der Gleichgültigkeit. Auch das ist die Botschaft von Weihnachten. Das kleinste Licht ist stärker als alle Finsternis. Wenn wir wie alle Jahre wieder Weihnachten feiern, dürfen wir darauf vertrauen, dass über all unseren Wegen ein Stern leuchtet.

 

Meine Frau und ich wünschen für Weihnachten heuer allein,

was winzig und leicht ist und unscheinbar klein.

Wir wünschen ein Körberl voll Kraft und voll Mut,

ein Stamperl voller Schwung tut jedem gut.

Ein Sackerl voll Hoffnung für schwierige Zeiten,

ein Packerl voll echter Zufriedenheit,

eine Kiste voll Gesundheit und guter Gedanken,

viel Freude, die ihr dürft andern verdanken,

eine Hand voll beschauliche, heitere Zeit

voll Glück und ohne großes Leid.

 

In diesem Sinne auch in diesem Jahr Ihnen allen von Herzen ein gesegnetes, gnadenreiches und friedvolles Weihnachtsfest und viel Freude und Dankbarkeit über die Menschwerdung Gottes, sowie für das neue Jahr 2015 alles Gute, Gesundheit, Zufriedenheit, Frieden und Gottes Segen.

 

Günter Rath (12. Dezember 2014)